Geschichte des Karate-Do

Chinesische Wurzeln

Karate-Do, der Weg der leeren Hand, geht als Kampfkunst zurück auf eine mehr als zweitausendjährige Tradition fernöstlicher Kampfformen, deren Wurzeln in China liegen. Nach der Legende gelangten durch den indischen Mönch Bodhidharma wichtige Impulse von Indien nach China, als dieser sich nach langjähriger Wanderung durch den Himalaya und durch verschiedene chinesische Provinzen im Jahre 523 nach Christi im Shaolinkloster niederließ. Dort lehrte er eine aus dem Buddhismus abgeleitete Philosophie der Selbstbetrachtung, den Zen-Buddhismus. Da die Mönche des Klosters jedoch in schlechter körperlicher Verfassung waren, fehlte Ihnen zum Teil Kraft und Konzentration, um den Meditationsunterweisungen des indischen Gelehrten zu folgen. Aus diesem Grund verband Bodhidharma die Meditationspraktiken mit verschiedenen körperertüchtigenden Übungen und Atemtechniken. Diesen Bewegungen zur Stärkung von Körper und Geist wurden nach und nach Techniken der Selbstverteidigung hinzugefügt, die nicht selten auf intensiven Tierbeobachtungen basierten. So entstand die chinesische Kampfkunst des Quanfa (Shaolin Kung Fu), die alle weiteren in China entstehenden Stile beeinflusste.

Anfänge auf Okinawa

Gründung des japanischen Goju-Ryu

Den Grundstein des Systems legte Higashionna Kanryô (1853-1916), der in China mehrere Stile des quanfa studierte. Als Higashionna 1887 aus China nach Okinawa zurückkehrte, erweiterte er den einheimischen Kampfstil Tôde um das in China Gelernte. Er unterrichtete zunächst in Naha, was dazu führte, dass sein Übungsstil in der Öffentlichkeit als Naha-Te bezeichnet wurde (Technik/Hand aus Naha). Sein Stil gehört zum Shôrei Ryu und wies starke Charakteristiken der südlichen chinesischen Schulen auf. Er bestand aus einer Kombination von weichen und kraftvollen Bewegungen und beinhaltete Arbeit mit „innerer Energie“, dem Qi (Ki). Von wesentlicher Bedeutung waren Prinzipien der Kata Sanchin und des Kranichstils aus Fukien. Als einer der ersten Lehrer auf Okinawa hatte Higashionna nicht nur einzelne Privatschüler, sondern unterrichtete auch in kleinen Gruppen.
Einer seiner wichtigsten Schüler war Miyagi Chôjun (1888-1953), den Higashionna jedoch nicht zu seinem Nachfolger machte. Nach dem Tod des Meisters reiste Miyagi nach China in die Provinz Fukien, um dort sein Kampfkunststudium zu vertiefen. Dadurch brachte er neue Aspekte in den Stil ein, insbesondere entwickelte er aus den Rokukishu (6 Handformen des Shaolin Quan) die Kata Tensho. Nach dem Namen seiner Kampfkunst befragt, erinnerte sich Chôjun Miyagi an einen Satz aus dem Bubishi (einer alten Kampfkunstschrift): „Alles im Universum atmet hart und weich“, so war der Name Goju-Ryu (hart-weich-Stil) geboren.

Gründung des Goju-Kai

1929 gab Miyagi in Japan eine Demonstration seiner Kampfkunst, die einen derartigen Anklang fand, dass er vorerst auf den japanischen Hauptinseln blieb, um dort zu unterrichten. Goju-Ryu wurde 1933 formell in die Listen des Butokukai in Japan eingetragen, kurz darauf entstand die Begrifflichkeit des Karate-Do (Weg der leeren Hand). Die Ausformung des Stiles Goju-Ryu war jedoch erst 1940 vollständig abgeschlossen, nachdem Miyagi die bereits 1914 von ihm entwickelten Katas Gekisai-dai-ichi und Gekisai-dai-ni als Übungsformen für AnfängerInnen in das System integrierte. Miyagi unterrichtete sowohl in Japan, als auch in Okinawa, wodurch die wesentlichen Schulen des Goju-Ryu entstanden. Sein wichtigster Schüler in Japan war Yamaguchi Gôgen.

Yamaguchi Gôgen (1909-1989) wurde 1932 Schüler von Miyagi, nachdem er zuvor neben Judo und Kendô bei anderen Meistern Karate gelernt hatte. Zwischen 1935 und 1937 begleitete er seinen Lehrer nach Okinawa, woraufhin Miyagi ihn zu seinem Repräsentanten für Japan ernannte. Yamaguchi gründete eine eigene Organisation, „Karate-Do Goju-kai“. Mit der Zeit veränderten sich Unterrichtsstil und Inhalte, der Unterricht fand überwiegend in großen Gruppen statt und Karate hielt Einzug in die Universitäten. Aus dem Judo wurden weiße Anzüge und das Gurtsystem übernommen und die SchülerInnen lernten nicht mehr nur wenige, nach ihren Talenten ausgesuchte Katas, sondern nacheinander alle im Stil vorhandenen Formen. Gôgen Yamaguchi, auch genannt „die Katze“, wird heute als der offizielle Nachfolger Miyagis in Japan betrachtet, obwohl es dort inzwischen verschiedene Goju-Ryu Strömungen gibt. Yamaguchi hatte fünf Kinder, die alle Karateunterricht von ihm erhielten. Nach seinem Tode wurde sein Sohn Gosen Nachfolger und Präsident des Goju-Kai Verbandes. Gosen Yamaguchi (1940-1990) beschäftigte sich intensiv mit den chinesischen Wurzeln des Stiles, insbesondere mit den Ursprüngen nach Higashionna Kanryu. Auch er gab Unterricht, einer seiner wichtigsten Schüler war Toshio Koda. Leider verstarb Gosen Yamaguchi bereits ein Jahr nach seinem Vater. Nach seinem Tod übernahm der jüngste, in Japan lebende Sohn, Goshi Yamaguchi, die Leitung des Verbandes.

Weiterentwicklung in Okinawa

Die sich in China im Laufe der Jahrhunderte herausbildende Kampfkunst verbreitete sich von dort nach Okinawa, einer zwischen den japanischen Hauptinseln und dem chinesischen Festland gelegenen Insel. Okinawa und China pflegten seit dem Mittelalter rege Handelsbeziehungen, auch der Austausch von Gesandten und Studierenden spielte eine wichtige Rolle. Auf diesem Weg gelangte das chinesische Quanfa nach Okinawa und traf dort auf das seit langem bestehende Selbstverteidigungssystem Te, das es in der Folgezeit nachhaltig beeinflussen sollte. Dadurch entstand ein neues Kampfsystem, das man zunächst Tôde und später Okinawa-Te nannte. Die Entwicklung dieser Kampftechniken auf Okinawa wurde durch das Verbot des Privatbesitzes von Waffen 1477 im Königreich Ryûkyû intensiviert, das auch mit der japanischen Okkupation des Ryûkyû-Archipels ab 1609 durch den Satsuma-Clan aufrechterhalten wurde. Die Okinawaner leisteten Widerstand gegen die japanische Fremdherrschaft, wo sie nur konnten – immer wieder überfielen gerade im Okinawa-Te Geübte die japanischen Samurai.

Einige einheimische Meister bemühten sich darum, von Grund auf die inneren Geheimnisse der chinesischen Kunst zu lernen und gingen zu auf Okinawa anwesenden chinesischen Meistern „in die Lehre“, oder reisten nach China. Dieses alle  war mit großen Schwierigkeiten verbunden, da aufgrund der starken Repression auf Okinawa nur in kleinen Zirkeln unter äußerster Geheimhaltung geübt werden konnte.

Es dauerte viele Jahre, bis das Okinawa-Te vom rein körperlichen Kampfsystem zur Kampfkunst heranreifte, erst ungefähr ab 1850 war es den chinesischen Systemen an inhaltlichen Werten ebenbürtig. Herausgebildet hatten sich drei Richtungen, die man nach den Orten auf Okinawa benannte, in denen sie hauptsächlich ausgeübt wurden: Shuri-Te, Naha-Te und Tomari-Te.

Ankunft in Japan

1868 wurde in Japan im Rahmen der Mejii-Restauration der Stand der Samurai offiziell aufgehoben und Okinawa im Jahr 1871 an Japan angegliedert. Die Kampfkunst musste nun auf der Insel nicht mehr im Geheimen praktiziert werden, 1905 wurde das Okinawa-Te sogar offizieller Unterrichtsbestandteil an den Schulen Okinawas. Damit wurde die Technik erstmals nicht mehr individuell vom Meister zum Schüler weitergegeben, sondern in größerer Gruppe unterrichtet. Diese Tendenz setzte sich fort, als die Kampfkunst ab 1920 von okinawanischen Meistern auch auf den japanischen Hauptinseln verbreitet  und in Karate-Do, umbenannt wurde.

Seit den sechziger Jahren gibt es Karate-Do auch in Deutschland.

Goju-Ryu in Deutschland: Was trainieren wir?

In Deutschland werden verschiedene Goju-Ryu-Stile praktiziert. Wir trainieren Goju-Kai, was 1969 durch Toshio Koda nach Deutschland kam, als dieser vom japanischen Karateverband entsandt wurde, um hier Karate zu verbreiten. Koda blieb seinen Wurzeln treu und pflegte den von Gosen Yamaguchi erlernten Stil. Wir sind Mitglied im Deutschen Karateverband (DKV) und dort im stiloffenen Karate (SOK) sowie in der Goju-Ryu-Sektion (GKD).